Motiv von Stefanie Bahlinger, Mössingen, Verlag am Birnbach
Der Apostel Paulus schreibt an die von ihm gegründete junge Gemeinde in Thessalonich einen Brief. Er ist beunruhigt, weil sie vielen Einflüssen und Anfeindungen ausgesetzt ist:
Prüft alles und behaltet das Gute!
1. Thessalonicher 5,21 (E)
Entscheidungen treffen wir täglich. Kleinere meist unbewusst, größere erst nach reiflicher Überlegung. Und doch bleibt oft ein Rest an Unsicherheit. Längst nicht immer erkennen wir, ob eine Entscheidung richtig oder falsch war. Außerdem ist das doch auch Ansichtssache, oder? Ich kann und möchte nicht einfach für mich übernehmen, was andere für richtig und gut befinden. Das bedeutet, dass meine Ansichten, mein Glaube und die Art, ihn zu leben, immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden. Von mir selbst und von anderen. Auch von Gott, dem daran liegt, dass mein Glaube und meine Beziehung zu ihm nicht erstarren, sondern lebendig bleiben. Und immer stellt sich die Frage nach dem Unaufgebbaren, nach dem verlässlichen Fundament, das mir Halt gibt. Im Leben und im Sterben. Ob Paulus mit dem „Prüft alles und behaltet das Gute!“ nicht genau das gemeint haben könnte?
Die Künstlerin Stefanie Bahlinger vergleicht diesen Prüfprozess mit einem Siebvorgang. Einige Steine liegen auf dem Siebboden, andere sind durchgefallen. Wie Edelsteine schimmern die einen; viele der gräulich schwarzen sind bereits durch den Gitterboden gefallen.
„Prüft alles und behaltet das Gute!“ meint, sich vor Neuem, Ungewohnten nicht zu fürchten, um es dann vorschnell durchs Raster fallen zu lassen. Es ermutigt, alles erst einmal anzuschauen, gewissenhaft zu prüfen und miteinander im Gespräch zu bleiben. Unmittelbar vor „Prüft alles und behaltet das Gute!“ schreibt Paulus:
Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach, füreinander und für jedermann. Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch. Den Geist löscht nicht aus. Prophetische Rede verachtet nicht. (1. Thessalonicher 5, 15 – 20)
So gesehen kann „Prüft alles und behaltet das Gute!“ bedeuten, immer wieder neu nach Gottes Willen zu fragen, sich von ihm prägen und leiten zu lassen. Meist ist es nicht so einfach wie in der Grafik, wo sich Edelsteine deutlich von den anderen abheben. Paulus nennt einige Verhaltensweisen, die dem Willen Gottes entsprechen und zum Guten dienen. Die bunten Edelsteine können Unterschiedliches bedeuten. Die einen: Vergeltet nicht mit gleicher Münze, wenn ihr meint, dass euch jemand schaden will. Wagt den ersten Schritt aus dem zerstörerischen Teufelskreis. Andere wiederum: Segnet auch die, die euch Steine in den Weg legen und gönnt ihnen Gutes. Wieder andere: Strahlt Freude und Zuversicht aus, wo Mut und Hoffnung sinken. Christsein heißt nicht, alles schwarz zu malen und zu sehen. Dann sind da noch die für das Gebet: Es gibt nichts, was ihr nicht vor Gott bringen dürft. Jederzeit, Tag und Nacht. Zuletzt noch: Nehmt wahr, dass ihr Beschenkte seid und nicht zu kurz kommt. Warum lässt es sich so viel leichter über Mängel als über Gutes reden? Warum setzt sich Negatives eher fest als Positives? Vielleicht finden wir den Aufruf, dankbar zu sein, deshalb so oft in der Bibel. Auch Psalmen laden uns ein, sie mitzubeten, wenn wir nur schwarzsehen und uns die richtigen Worte fehlen. Die schenkt uns der Heilige Geist, wenn wir ihm in unserem Leben Raum geben. Er ist die treibende, sortierende und reinigende Kraft, die Bewegung ins Bild bringt, angedeutet durch die Kreise um den Siebrand.
Um ihn herum erstreckt sich ein goldenes Kreuz. Darum geht es. Nicht um Form, Größe, Beschaffenheit des Siebs oder Dichte des Gitterbodens. Die sind so verschieden wie die Menschen selbst. Das Kreuz macht den Unterschied. Wird es sichtbar in unserem Leben? Was gerade nicht heißt, dass wir glänzen und perfekt sein müssen. „Prüft alles und behaltet das Gute!“, hat nichts mit Selbstoptimierung und einem nach allen Seiten abgesicherten Leben zu tun. Gottes Geist macht lebendig und schenkt uns die Freiheit zu entdecken, wo unser Platz ist, an dem wir Verantwortung übernehmen müssen und wo es Stellschrauben in unserem Leben gibt, an denen zu drehen ist. Im Vertrauen darauf, dass Jesus auch dann zu uns steht und durch uns sichtbar wird, wenn wir falsche Entscheidungen treffen oder Antworten schuldig bleiben. Sogar dann, wenn wir ihn auf manchen Wegstrecken vergessen oder nicht damit rechnen, dass er uns führt und das Beste für uns will.
„Prüft alles und behaltet das Gute!“ Ich wünsche mir, dass mein Umfeld mein Christsein so erlebt, dass mein Glaube nie fertig ist, sondern lebendig bleibt. Indem er mir immer wieder Freiräume eröffnet, entdecke ich Neues und auch Altes neu und traue mich, starre Positionen zu hinterfragen. Daran möchte ich andere teilhaben lassen und mit ihnen darüber im Gespräch bleiben, wie und warum ich die eine oder andere Entscheidung getroffen habe und noch treffe. Vor allem anderen sollen sie für sich selbst entdecken, dass der Glaube Halt gibt im Leben und im Sterben.
So münden in der Grafik die unterbrochenen goldenen Linien in eine Krone, die Gott für alle bereit hält, die sich ihm anvertrauen. Ob die Krone nicht auch ein Hinweis darauf sein kann, dass es beim Prüfen und Behalten des Guten im Letzten um die Frage geht: dient es dazu, Gott allein die Ehre zu geben?
Dreieiniger Gott,
das würde ich so gerne, dir allein die Ehre geben,
dir in allem die Ehre geben.
Doch vieles hindert mich daran.
Am ehesten meine Gottvergessenheit.
Wenn ich nicht damit rechne, dass mein Leben für dich zählt,
mein oft so unscheinbares Tun von dir wertgeachtet wird.
So wert, dass es dir zur Ehre dienen,
dich groß machen kann.Ehrlich gesagt, ertappe ich mich auch immer wieder dabei,
selbst glänzen und groß rauskommen zu wollen.
Nicht einmal das kann dich daran hindern, zu mir zu stehen.Danke, dass du mir sortieren hilfst im Alltagswahnsinn
und mir nahe bist, wenn wichtige Entscheidungen anstehen.
Danke, dass du mir Orientierung schenkst, wo ich unsicher bin,
und Gelassenheit, wenn etwas schiefläuft.Du stellst meine Füße auf weiten Raum.
Du bist der feste Grund, auf dem ich sicher stehe.
Dir allein die Ehre!
Amen.